Interruptio / IUFT / Abortinduktion 12 1/7 SSW bis 23 6/7 SSW

Inhaltsverzeichnis

Zweck, Prinzip

Diese Arbeitsanweisung regelt das Vorgehen bei einem medizinisch indizierten Schwangerschaftsabbruch ab 12 1/7SSW bis 23 6/7 (Interruptio oder Spätabort)

Vorgehen bei IUFT ab 24 0/7 SSW 

Begriffe und Abkürzungen

Abort: Vollständiger oder teilweiser Abgang von Schwangerschaftsmaterial vor Erreichen der Lebensfähigkeit (s. Zivilstandsregister). Der Abort kann spontan oder induziert sein. Der Abort kann infolge einer Erkrankung der Mutter oder des Embryos/Feten auftreten.

Spätabort: Abort zwischen der 12 1/7 SSW und 21 6/7 SSW

Totgeburt: ab 22 0/7 SSW oder Geburtsgewicht von mindestens 500 g

Intrauteriner Fruchttod (IUFT): ab 24 0/7 SSW

Medizinisch indizierter Abort: Intervention, um eine Schwangerschaft zu beenden, auch induzierter Abort. Schwangerschaftsabbruch auf Wunsch der betroffenen Frau, wenn die Fortsetzung der Schwangerschaft die Gesundheit der Mutter in Gefahr bringt oder wenn der Embryo oder der Fetus von einer schweren und unheilbaren Missbildung oder Krankheit betroffen ist.

Laboruntersuchungen

    Diese Abklärungen können die präkonzeptionelle Beratung, die pränatalen Abklärungen und das neonatale Management verändern.

    Wenn Ursache IUFT bereits pränatal eindeutig ist, kann nach Rücksprache mit fetomaternalem Team auf eine ausgedehntere Diagnostik verzichtet werden, dann nur präoperatives Labor und Type and Screen (TS).

    Folgende Tests sind als generelles Screening in absteigender Reihenfolge nützlich:

    • Plazentapathologie
    • Fetale / Kindliche Autopsie: Einwilligung der Eltern erforderlich
    • Genetik: Mikroarray
      • Nur wenn zuvor keine CVS oder AC erfolgt ist
      • Hautbiopsie/NS-Stück postpartal, Cave: Kostengutsprache, nur in bis zu 2% d.F. auffällig bei unauffälligem spezialisiertem Ultraschall
    • Antiphospholipidantikörper: Lupus-anticoagulans, beta-2-Glyokprotein, Kardiolipin AK
      • Antiphospholipid-AK nach 12 Wochen wiederholen, wenn positiv
    • Hb F (fetales Hämoglobin in mütterlichem Blut)
      • sobald wie möglich nach Diagnose abnehmen, wenn erst nach Geburt ggf falsch hoch
    • Virus-Serologien: Parvovirus B19, CMV, TORCH
    • TSH, fT4
    • HbA1c
    • Lupus-Antikörper: anti-La-SSa, anti-Ro-SSb

    Gezielte Abklärungen aufgrund der Anamnese

    • Gestoselabor bei Hinweis auf Präeklampsie oder IUGR
    • Bei fetalem Hydrops: Antikörpersuchtest, Parvovirus-B19-Serologie, ggf. Hb-Elektrophorese bei entsprechender Herkunft oder Familienanamnese oder auffälligem Blutbild, Fruchtwasser (Amniozentese) zur Untersuchung auf metabolische Erkrankung / Speicherkrankheit
    • Bakteriologische Abstriche (maternal, fetal, plazentar) bei Zeichen von Chorioamnionitis
    • Drogenscreening bei anamnestischen Hinweisen
    • Syphilissuchtest, HIV-Test bei anamnestischen Hinweisen, Herkunft aus Endemieregionen
    • Thrombophiliescreening bei anamnestischen Hinweisen und fehlender bisheriger Abklärung
    • Bei IUGR, Ventrikulomegalie oder sonographischen Hinweiszeichen: Toxoplasmose-Serologie

      Organisatorisches

      bereits vor Abgabe Mifegyne unterschriebene Aufklärungsformulare:

      • Aufklärung über Misoprostol (off-Label use und Risiken analog Einleitung)
      • Aufklärung über die Nachcurettage
      • Klären ob Autopsie und / oder genetische Abklärung gewünscht wird (dies dokumentieren)
      • Klären wann Eintritt im Gebärsaal möglich ist mit Schichtleitung Hebamme
      • Kostengutsprache beantragen bei Wunsch nach postpartaler Genetik

      Abortinduktion 12 1/7 SSW bis 23 6/7 SSW

      Tag 1: 600 mg Mifegyne per os, ambulant über das Ambulatorium durch Arzt abzugeben und unter ärztlicher Aufsicht einzunehmen.

      Tag 2/3 (nach 36-48h): Cytotec 400 ug vaginal, weitere 200 ug vaginal alle 6 Stunden

      Bei St. n. Sectio oder nach Uteruseingriffen mit Eröffnen des Cavums kann dieses Schema auch angewandt werden, allerdings mit einer reduzierten initialen Cytotec-Gabe intravaginal (200 µg).

      UAW Mifegyne: Überempfindlichkeitsreaktionen, Angioödem, Kopfschmerzen, arterielle Hypotonie, Übelkeit (in bis zu 29%), Erbrechen (in bis zu 21%), leichte bis mässig starke Abdominalkrämpfe, Diarrhö, Unwohlsein, allgemeine vagale Symptome (Hitzewallungen, Benommenheit, Schüttelfrost), Fieber.

      KI Mifegyne: Chronische Nebennierenrindeninsuffizienz, schweres, nicht kontrollierbares Asthma bronchiale, Vererbte Porphyrie 

      UAW Cytotec: Kopfschmerzen, Schwindel, leichte bis mittelgradige Diarrhö und abdominale Schmerzen (5–15%). Nausea, Dyspepsie, Erbrechen, Flatulenz, Obstipation, Fieber, Schüttelfrost

      Medlung bei Abruptio > 12+0 SSW

      Meldung wird vom Arzt ausgefüllt, der Abbruch/Geburt mitbetreut hat.

      Es entsteht eine Indikation zum Abbruch grundsätzlich nur aus maternaler Indikation (s.a, StGB Art 119)

      Nalador

      Indikation: frustrane Einleitung mit Cytotec über 48h

      Infusion: 1 Ampullen à 500 µg Sulproston in 500 ml NaCl 0.9%, Dosierung 100ml/h = 100µg pro Stunde = 1.67µg/min, maximale Infusionszeit 10h

      Fehlende Geburt => Wiederholung am Folgetag, häufig jedoch Geburt im Intervall.

      Wichtig: engmaschige Überwachung von Puls, Blutdruck, SaO2, Temperatur (in der ersten Stunde ¼-stündlich, dann ½-stündlich).

      CAVE: Nalador-Gabe nur im Gebärsaal, Mobilisation nur in Begleitung (BD-Abfall).

      UAW: Kopfschmerzen, Schläfrigkeit, Blutdruckabfall, Bradykardie, Koronarspasmen, Myokardischämie, Druckerhöhung im Pulmonalkreislauf (bis hin zum Lungenödem), Bronchokonstriktion, Übelkeit, Erbrechen, Spasmen im Ober- und Mittelbauch, Diarrhoe, Subfebrile oder febrile Temperaturen. 

      KI: lebensfähiges Kind, vorausgegangene Uterusoperationen, akute gynäkologische Infektionen, vorgeschädigtes Herz (auch ohne Dekompensationszeichen), koronare Herzerkrankung oder andere Gefässerkrankungen in der Anamnese, schwere Hypertonie, Thyreotoxikose, Asthma bronchiale oder spastische Bronchitis, Colitis ulcerosa, akutes Ulcus ventriculi, zerebrale Anfallsleiden, dekompensierter Diabetes mellitus, schwere Leberinsuffizienz, schwere Niereninsuffizienz, Glaukom, Sichelzellenanämie oder Thalassämie, schwere Krankheiten im Allgemeinen, Überempfindlichkeit gegenüber dem Wirkstoff oder einem der Hilfsstoffe gemäss Zusammensetzung

      Postpartal

      • manuelle Plazentalösung / Nachcurettage bei Plazentaretention oder unvollständiger Plazenta, sonographische Dokumentation!
      • Abklärungen
        • Digitale Photodokumentation
        • Abstrichentnahme von der Plazenta (maternal, fetal und Amnion)
        • Plazenta ad Histologie
        • Genetische Abklärung sofern gewünscht, schriftliche Einwilligung Eltern nötig, mögliches Material (Chorion- oder Plazentagewebe, Hautbiopsie)
          • Es muss IMMER das pränatale Anmeldeformular verwendet werden, mit Unterschrift von Eltern und Arzt drauf. (https://www.medgen.uzh.ch/de/anmeldeformulare/anmeldeformulare.html)
          • Wir schicken mind. 2 cm Nabelschnurstück ein
          • Das Material kann direkt in ein Röhrchen mit "Hanks-Lösung" (i.e. Transportmedium) gegeben werden. Ansonsten in physiologische Salzlösung.
          • Kann ungekühlt versendet werden. Wenn wir es nicht sofort abschicken, bis dahin bei 4°C lagern.
        • Autopsie am KSW, Autopsiebefund dauert 3-6 Monate
      • Eurocat-Formular
        • Bei Kindern mit Fehlbildungen auszufüllen
        • Alle Kinder mit Fehlbildungen werden durch Neonatologie untersucht
      • Meldepflicht
        • alle totgeborenen Kinder >500g oder vollendete 22. SSW >= 22+0
      • Abstillen
        • Medikamentös mit Dostinex 2Tbl. à 0.5 mg p.o. innert 24 h nach Geburt ab der 16. SSW.
        • Bei Wunsch nach nicht medikamentösem Abstillen: Kalte Wickel, Pfefferminz- und Salbeitee, Petersilie, Stützender BH, engmaschige Beurteilung der Mammae durch eine Hebamme wichtig um bei Zeichen des Milcheinschusses vorzeitig reagieren zu können
      • Rhophylac
        • Bei Rhesusnegativität: Rhophylac 300 i.v.
      • Ärztliches Zeugnis für ambulante Hebammenbetreuung
      • Arbeitsunfähigkeitszeugnis (z.B. 100% für 4 Wochen, abh. vom Wunsch der Frau)
      • Todesbescheinigung
      • Empfehlung spezialisierter Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten
      • Ambulante Hebammenbetreuung, wird von der Krankenkasse ab 13 0/7 SSW übernommen
      • Bestattung
        • Bei meldepflichtigen Kindern braucht es eine Form von Bestattung
        • Bei nicht-meldepflichtigen Kindern ist eine Bestattung nach Wunsch der Eltern möglich, z.b. im Garten etc
        • Sammelkremation vs. Einzelkremation, Einzelgrab vs. Gemeinschaftsgrab, im Rosenberg Winterthur auch islamischer Teil wo Gräber in Richtung Mekka ausgerichtet sind
        • Auch möglich Kind im Sarg mit nach Hause zu nehmen und so noch Abschied zu nehmen
        • Für die Bestattung ist immer die Wohngemeinde zuständig
        • Überführung ins Ausland: mittels Beerdigungsinstitut, Urne darf ins Ausland mitgenommen werden
        • siehe auch Konzept stille Geburt Gebärsaal
      • Nachkontrolle
        • Nach ca. 4 Wochen beim betreuenden Gynäkologen oder in der Klinik, Besprechung der Abklärungen, Autopsiebefund dann in der Regel noch nicht vorhanden.
      • Nachgespräch
        • In 2-3 Monaten am KSW beim fetomaternalen Team

      Referenzen und weiterführende Literatur

      Management of Pregnancy Subsequent to Stillbirth, J Obstet Gynaecol Can 2018

      Management of Stillbirth, ACOG Obstetric Care Consesus No. 10. American College of Obstetricians and Gynecologists. Obstet Gynecol 2020

      Stillbirth and Fetal Anomalies: secondary analysis of a case-control study, BJOG 2021

      Evaluation of 1025 fetal deaths: proposed diagnostic workup, J Obstet Gynaecol 2012

      Inducing labour, Intrauterine fetal death after previous caesarean birth, NICE Guideline, 2021

      Classification systems for causes of stillbirth and neonatal death, 2009–2014: an assessment of alignment with characteristics for an effective global system, BMC 2016

      Causes of death and associated conditions (Codac) – a utilitarian approach to the classification of perinatal deaths, BMC 2009

      Post-mortem magnetic resonance imaging with computed tomography-guided biopsy for foetuses and infants: a prospective, multicentre, cross-sectional study, BMC 2022

      Wassermethode, Christina Diebold, Artikel aus Obstetrica

      Stellungnahme der Fachstelle kindsverlust.ch zur «Wassermethode»

      Initialer Autor: I. Kaufmann, A. Winkler
      Überarbeitet: L. Gabriel
      Autorisiert: L. Sultan-Beyer
      KSW Version: 1.0, 05/2023