Plazentarperiode

Inhaltsverzeichnis

 

Syntocinoninfusion nach vaginaler Geburt

Bei jeder vaginalen Geburt, unverzüglich nach Abnabeln
5 IE Syntocinon (= 1 Ampulle) in 100 ml NaCl 0.9 % während 30 Minuten i.v.

 

 

"Passives" Management

Ein vollständig passives Management wird in unserem Haus nicht durchgeführt. Die hier erklärte weniger invasive Methode ist nur ohne Risikofaktoren (siehe unten) zulässig.

Ablauf

Abnabeln, Syntocioninfusion verabreichen, abwarten und Lösungszeichen kontrollieren. Bei vermehrter Blutung oder nach 20min. ungelöster Plazenta ins aktive Management übergehen.

  • Die gelöste Plazenta kann an folgenden Lösungszeichen erkannt werden: Uteruskantungszeichen nach Schröder
  • Nabelschnurzeichen nach Küstner
  • Vorrücken der Nabelschnur nach Ahlfeld
  • Kollabieren der Nabelschnur
  • Fundusklopfen
  • Afterbürde
  • Lösungsblutung

Wenn ein oder zwei Zeichen positiv sind, wird die Gebärende aufgefordert die Plazenta durch dosiertes Pressen zu gebären. Der Uterus wird dabei von der Hebamme leicht gehalten ohne Zug an der Nabelschnur.

 

 

Aktives Management

Grundsätzlich wird das aktives Management praktiziert, da dadurch das Risiko schwerwiegender postpartale Blutungen signifikant reduziert wird.

Ablauf

Abnabeln, Syntocinoninfusion verabreichen, kontrollierte Cord Traction während Kontraktion in Führungslinie, Uterus während Cord Traction halten (Cave: NS-Abriss, Inversio Uteri).

In folgenden Situationen wird aktives Management praktiziert:

  • St. n. Uterusoperationen
  • Myome und Fehlbildungen des Uterus
  • Überdehnung des Uterus (Mehrlingsschwangerschaft, Polyhydramnion, makrosomes Kind)
  • hohe Parität der Mutter
  • vaginal-operative Geburt
  • überstürzte Geburt
  • protrahierte Geburt
  • vorzeitige Plazentalösung

Wenn Placenta nach 30 Minuten nicht gelöst ist:

  • immer Info an diensthabenden Gebärsaal-Assistenzarzt (Tel. 1201) und -Oberarzt (Tel. 6107), Herstellung von OP-Bereitschaft (Bestellung von 2 EC, Vorbereitung Anästhesieblätter)
  • bei vaginaler Blutung: manuelle Lösung
  • ohne vaginale Blutung kann in Absprache mit OA weitere 15 Minuten unter einer zweiten Kurzinfusion mit Syntocinon mit 5IE (wie oben beschrieben) zugewartet werden.
  • Bei steigendem Fundus muss auch bei fehlender vaginaler Blutung unverzüglich die manuelle Lösung durchgeführt werden.

Zusätzliche Massnahmen

Diese Massnahmen sind nach ca. 20 min. zusätzlich durchführbar um die Plazentageburt zu fördern:

  • Kind ansetzen (Oxytocinausschüttung)
  • Änderung der Position: Aufrechte Haltung / Hocke
  • Harnblase leeren (WC/Topf oder Katheterisieren)
  • NS-Blut ablassen
  • Akupunktur durch Hebamme mit Akupunkturausbildung
  • Homöopathie:
    • Caulophyllum C30 bei spastischer Zervix
    • Pulsatilla C6 in kurzen Abständen (ca. 10min.), C30 bei vorhandener Uteruskontraktion
  • Aromatherapie: Nelken auf Haut beim Bauchnabel, Muskatellersalbei, Weihrauch zum riechen =>Achtung wegen Kontakt mit NG
  • Buscopan 1 Amp i. v. bei Verdacht auf intracervicale Plazentaretention
  • Handgriff nach Credé

 

Verdacht auf unvollständige Placenta

Vorgehen, wenn bei der Plazentabeurteilung durch Hebamme und/oder Arzt Unklarheiten bestehen und der "Verdacht auf unvollständige Placenta" geäussert wird

1. Klinik beachten

  • verstärkte Blutung?
  • Fundusstand über Nabelhöhe?
  • Kreislauf (schwere Hypotonie und Tachykardie)

=> immer manuelle Nachtastung und Nachcurettage

=> bei Kreislaufinstabilität unverzügliche Volumengabe

2. Transabdominaler Ultraschall

Vor allem der negative Vorhersagwert ist hoch: Die Darstellung des leeren oder nur flüssigkeitsgefüllten Cavums schliesst das Vorhandensein von Plazentaresten weitgehend aus.

3. Indikationsstellung zur manuellen Nachtastung und Nachcurettage (unter Ultraschall-Sicht)

  • Makroskopisch Fehlen eines plazentaren Anteiles und Cavum uteri im Ultraschall nicht strichförmig bzw. V.a. Plazentareste => Nachtastung und Nachcurettage
  • Keine verstärkte Blutung, Cavum uteri sonographisch strichförmig => auf eine Nachtastung kann verzichtet werden. Aufklären der Patientin und Sono vor Austritt veranlassen durch schriftliche Dokumentation und mündliche Übergabe.

4. Schriftliche Aufklärung

Bei Notfallindikation (starke Blutung, Kreislaufinstabilität) mündlich ausreichend mit Dokumentation in elektronischer Krankenakte

5. Anmelden: Anästhesie, OP-Pflege und OP-Anmeldung im LUKiS

6. Durchführung in: Primär in Gebärsaal-OP, situativ auch im OP der Frauenklinik oder im Zentral-OP. Die Entscheidung wo erfolgt in einvernehmlicher Rücksprache mit der Anästhesie und ist von folgenden Faktoren abhängig:

  • Stabilität und Transportfähigkeit der Patientin (bei starker Blutung und Kreislaufinstabilität im Gebärsaal-OP)
  • Kapazität Anästhesie (simultane Aktivitäten im Zentral-OP, Schockraum, etc.) / Kapazität Hebammen für den Transport der Gebärenden
  • Simultane geburtshilfliche Pathologien, die das Freihalten des Gebärsaal-OPs oder die Anwesenheit der Dienstsoberarztes vor Ort erfordern
  • psychologische Aspekte (Transport in den Zentral-OP psychologisch belastender für die Gebärende)

7. Instrumentation und Assistenz: primär durch OP-Pflege. Die OP-Pflege kommt generell (in über 90% der Fälle) und instrumentiert, nur selten ist dies aus Kapazitätsgründen nicht möglich. Die Assistenz erfolgt primär durch Oberarzt / Assistenzarzt. Bei komplexen oder unübersichtlichen Geburtsverletzungen ist eine zweite Assistenz notwendig. Dies erfolgt durch die Hebamme. Bei starker post partum Blutung erfolgt die kontinuierliche Uterusmassage bzw. kontinuierlicher Crédé-Handgriff durch die Hebamme.

8. Tonisieren während Operation

Während manueller Lösung/Curettage IMMER Tonisieren der Gebärmutter durch laufende Syntocinoninfusion (20 IE auf 1000ml Ringer frei laufen lassen, bis gut tonisiert)

9. Postoperativ Syntocinon-Infusion fortsetzen mit 20 IE Syntocinon auf 1000ml Ringer mit 42 ml/h für 12-24h

10. Kontroll-Ultraschall

  • Vor Austritt von Mutter-Kind-Abteilung obligat, transabdominal oft ausreichend
  • Verordnung durch entbindenden Arzt bei Verlegung auf Abteilung
  • Wenn intraoperativ V.a. acreta/increta: Spezial-US mit 3D
  • Falls weiterhin V.a. Restmaterial: Rücksprache Kaderarzt Geburtshilfe (nicht zwingend unmittelbare Re-OP)

Literatur

Harder, U., Steininger, I. & Kirchner, S. (2007). Die Nachgeburtsperiode. In C. Geist, U. Harder & A. Stiefel (Hrsg.), Hebammenkunde. (4. Aufl.). Stuttgart: Hippokrates

Brezinka, C. & Henrich, W. (2011). Pathologie der Plazentarperiode. In H. Schneider, P. Husslein & K. T. M. Schneider (Hrsg.), Die Geburtshilfe. (4. Aufl.). Heidelberg: Springer

Stadelmann I. (2010). Homöopathie für den Hebammenalltag, Stadelmann Verlag, Wiggensbach, 1. Aufl. 

Westhoff G et al, Prophylactic oxytocin for the third stage of labour to prevent postpartum haemorrhage, Cochrane Database Syst Rev, 2013 

Begley CM et al, Active versus expectant management for women in the third stage of labour, Cochrane Database Syst Rev, 2011 

Gülmezoglu AM et al, Active management of the third stage of labour with and without controlled cord traction, Lancet, 2012 

Hofmeyr GJ, Uterine massage for preventing postpartum haemorrhage, Cochrane Database Syst Rev. 2013

Autor: M. Hodel, J. Kohl
Autorisiert: M. Hodel

Aktualisiert: V. Uerlings


Version: 05.01.2021
Gültig bis 31.12.2022