IUFT ab 24 0/7 SSW KSW

Inhaltsverzeichnis

Zweck

Diese Arbeitsanweisung regelt das Vorgehen bei einem IUFT ab der 24 0/7 SSW
Vorgehen bei IUFT/Interruptio oder Spätabort von 12+1 bis 23+6 SSW

Definition

  • Totgeburt ab 22 0/7 SSW oder Geburtsgewicht von mindestens 500 g
  • Intrauteriner Fruchttod (IUFT) ab 24 0/7 SSW
  • Stille Geburt gemäss WHO ab 28 0/7 SSW

Die Inzidenz von IUFT liegt bei 0.5% von allen Schwangerschaften
Totgeburten in der CH 2021: 395, d.h. 4.4 pro 1000 Geburten

Im Umgang mit dem Paar und im Team darf auch generell von "stiller Geburt" gesprochen werden.

Diagnose

Fehlende Herzaktion im Ultraschall, Dokumentation mit Farbdoppler
oder M-Mode

CAVE: Aufzeichnen des mütterlichen Pulses mit dem CTG kann täuschen!

Laboruntersuchungen

    Diese Abklärungen können die präkonzeptionelle Beratung, die pränatalen Abklärungen und das neonatale Management verändern.

      Wenn Ursache IUFT bereits pränatal eindeutig ist, kann nach Rücksprache mit fetomaternalem Team auf eine ausgedehntere Diagnostik verzichtet werden, dann nur präoperatives Labor und Type and Screen (TS).

      Folgende Tests sind als generelles Screening in absteigender Reihenfolge nützlich:

      • Plazentapathologie
      • Fetale / Kindliche Autopsie: Einwilligung der Eltern erforderlich
      • Genetik: Mikroarray
        • Nur wenn zuvor keine Chorionzottenbiopsie (CVS) Amniozentese (AC) erfolgt ist
        • NS-Stück postpartal, Cave: Kostengutsprache, nur in bis zu 2% der Fälle auffällig bei unauffälligem spezialisiertem Ultraschall
      • Antiphospholipidantikörper: Lupus-anticoagulans, beta-2-Glyokprotein, Kardiolipin AK
        • Antiphospholipid-AK nach 12 Wochen wiederholen, wenn positiv
      • Hb F (fetales Hämoglobin in mütterlichem Blut)
        • sobald wie möglich nach Diagnose abnehmen. Nach Geburt kann es ggf. falsch hoch ausfallen.
      • Virus-Serologien: Parvovirus B19, CMV, (TORCH)
      • TSH, fT4
      • HbA1c
      • Lupus-Antikörper: anti-La-SSa, anti-Ro-SSb

      Gezielte Abklärungen aufgrund der Anamnese

      • Gestoselabor bei Hinweis auf Präeklampsie oder IUGR
      • Bei fetalem Hydrops: Antikörpersuchtest, Parvovirus-B19-Serologie, ggf. Hb-Elektrophorese bei entsprechender Herkunft oder Familienanamnese oder auffälligem Blutbild, Fruchtwasser (Amniozentese) zur Untersuchung auf metabolische Erkrankung / Speicherkrankheit
      • Bakteriologische Abstriche (maternal, fetal, plazentar) bei Zeichen von Chorioamnionitis
      • Drogenscreening bei anamnestischen Hinweisen
      • Syphilissuchtest, HIV-Test bei anamnestischen Hinweisen, Herkunft aus Endemieregionen
      • Thrombophiliescreening bei anamnestischen Hinweisen und fehlender bisheriger Abklärung

      Bei IUGR, Ventrikulomegalie oder sonographischen Hinweiszeichen: Toxoplasmose-Serologie

      Organisatorisches

      bereits vor Abgabe Mifegyne unterschriebene Aufklärungsformulare:

      • Aufklärung über Misoprostol (off-Label use und Risiken analog Einleitung)
      • Aufklärung über die Nachcurettage
      • Klären ob Autopsie und / oder genetische Abklärung gewünscht wird (dies dokumentieren)
      • Klären wann Eintritt im Gebärsaal möglich ist mit Schichtleitung Hebamme
      • Kostengutsprache beantragen bei Wunsch nach postpartaler Genetik

      Induktion

      Tag 1: 600 mg Mifegyne per os, ambulant über das Ambulatorium durch Arzt abzugeben und unter ärztlicher Aufsicht einzunehmen.

      Tag 2/3 (nach 36-48h):

      • Primigravida, St.n. Spontangeburt
        • 25 µg Misoprostol vaginal durch Arzt oder Hebamme im Gebärsaal verabreicht, Wiederholung alle 4h bis Wehen
        • je nach Befund nach 24 Stunden Ballonkatheter, Syntocinon und Amniotomieversuch
      • St.n. Sectio
        • Cook-Ballonkatheter stationär 24h, Syntocinon, Amniotomieversuch, nach informed consent auch Propess

      I° Sectio gemäss Guidelines nur, wenn sehr hohes Risiko für Ruptur oder KI für ELV

      Bei Syntocinon Überwachung der Wehenqualität mittels Toko (Frequenz, Stärke und Dauer der Kontraktionen), Vermeidung von forcierter Wehentätigkeit aufgrund Risiko einer Fruchtwasser-Embolie, Störung des Wasser-Elektrolyt-Haushaltes wegen geringer antidiuretische Wirkung, besonders bei Pat. mit schweren Leber- oder Nierenfunktionsstörungen, Vorsicht bei Patientinnen mit kardiovaskulären Erkrankungen in der Anamnese (wie z.B. hypertropher Kardiomyopathie, Herzklappenerkrankung, koronarer Herzerkrankung oder Koronarspasmen) und bei Patientinnen mit „langem QT-Syndrom“

      UAW: Kopfschmerzen, Tachykardie oder Bradykardie, Hypertonie, Übelkeit, Erbrechen.

      Geburt

      • Ruhe schaffen, auch nur mit Hebamme möglich
      • Raum für Abschied geben
        • Fotografinnen von Herzensbilder involvieren, wenn gewünscht
        • Wassermethode
          • Kind wird nach Geburt ins kalte Wasser gelegt
          • Vorteile: Haut wird wieder heller/ teils rosig, Körperform bleibt erhalten, Kind kann besser angefasst werden, es bleibt mehr Zeit um sich zu verabschieden
        • siehe auch Konzept stille Geburt Gebärsaal

      Postpartal

      • manuelle Plazentalösung / Nachcurettage bei Plazentaretention oder unvollständiger Plazenta, sonographische Dokumentation!
      • Abklärungen
        • Digitale Photodokumentation
        • Abstrichentnahme von der Plazenta (maternal, fetal und Amnion)
        • Plazenta ad Histologie
        • Genetische Abklärung sofern gewünscht, schriftliche Einwilligung Eltern nötig, mögliches Material (NS-Stück)
          • Es muss IMMER das pränatale Anmeldeformular verwendet werden, Unterschrift von Eltern und Arzt erforderlich 
          • Wir schicken mind. 2 cm Nabelschnurstück ein
          • Das Material kann direkt in ein Röhrchen mit "Hanks-Lösung" (i.e. Transportmedium) gegeben werden. Ansonsten in physiologische Salzlösung.
          • Kann ungekühlt versendet werden. Wenn wir es nicht sofort abschicken, bis dahin bei 4°C lagern.
        • Autopsie am KSW, Alternative Virtopsy (post-mortem MRI mit CT gesteuerter Biopsie => zurzeit nur in Studien möglich), Autopsiebefund dauert 3-6 Monate
      • Eurocat-Formular
        • Bei Kindern mit Fehlbildungen auszufüllen
        • Alle Kinder mit Fehlbildungen werden durch Neonatologie untersucht
      • Meldepflicht
        • alle totgeborenen Kinder >500g oder vollendete 22. SSW >= 22+0
      • Abstillen
        • Medikamentös mit Dostinex 2Tbl. à 0.5 mg p.o. innert 24 h nach Geburt ab der 16. SSW.
        • Bei Wunsch nach nicht medikamentösem Abstillen: Kalte Wickel, Pfefferminz- und Salbeitee, Petersilie, stützender BH, engmaschige Beurteilung der Mammae durch eine Hebamme wichtig um bei Zeichen des Milcheinschusses vorzeitig reagieren zu können
      • Rhophylac
        • Bei Rhesusnegativität: Rhophylac 300 i.v.
      • Mutterschaftsentschädigung: Es besteht der Anspruch auf die Entschädigung, wenn die Schwangerschaft mindestens 23 Wochen gedauert hat, das heisst, die Mutter muss mindestens in der 24. Schwangerschaftswoche gewesen sein. Das Schwangerschaftsalter der Geburt zählt und nicht das Schwangerschaftsalter der Diagnosestellung oder des vermuteten Todeszeitpunktes!
      • Todesbescheinigung (bei meldepflichtigen Kindern)
      • Empfehlung spezialisierter Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten
      • Ambulante Hebammenbetreuung, wird von der Krankenkasse ab 13 0/7 SSW übernommen
      • Bestattung
        • Bei meldepflichtigen Kindern braucht es eine Form von Bestattung
        • Bei nicht-meldepflichtigen Kindern ist eine Bestattung nach Wunsch der Eltern möglich, z.B. im Garten etc.
        • Sammelkremation vs. Einzelkremation, Einzelgrab vs. Gemeinschaftsgrab, im Rosenberg Winterthur auch islamischer Teil wo Gräber in Richtung Mekka ausgerichtet sind
        • Auch möglich Kind im Sarg mit nach Hause zu nehmen und so noch Abschied zu nehmen
        • Für die Bestattung ist immer die Wohngemeinde zuständig
        • Überführung ins Ausland: mittels Beerdigungsinstitut, Urne darf ins Ausland mitgenommen werden
        • siehe auch Konzept stille Geburt Gebärsaal
      • Nachkontrolle
        • Nach ca. 4 Wochen beim betreuenden Gynäkologen oder in der Klinik, Autopsiebefund dann in der Regel noch nicht vorhanden.
      • Nachgespräch
        • In 2-3 Monaten am KSW beim fetomaternalen Team, Besprechung der Abklärungen, Zusammenfassung aller Befunde, Besprechung Konsequenzen für Folgeschwangerschaft

      Referenzen / weiterführende Literatur

      Management of Pregnancy Subsequent to Stillbirth, J Obstet Gynaecol Can 2018

      Management of Stillbirth, ACOG Obstetric Care Consesus No. 10. American College of Obstetricians and Gynecologists. Obstet Gynecol 2020

      Stillbirth and Fetal Anomalies: secondary analysis of a case-control study, BJOG 2021

      Evaluation of 1025 fetal deaths: proposed diagnostic workup, J Obstet Gynaecol 2012

      Inducing labour, Intrauterine fetal death after previous caesarean birth, NICE Guideline, 2021

      Classification systems for causes of stillbirth and neonatal death, 2009–2014: an assessment of alignment with characteristics for an effective global system, BMC 2016

      Causes of death and associated conditions (Codac) – a utilitarian approach to the classification of perinatal deaths, BMC 2009

      Post-mortem magnetic resonance imaging with computed tomography-guided biopsy for foetuses and infants: a prospective, multicentre, cross-sectional study, BMC 2022

      Wassermethode, Christina Diebold, Artikel aus Obstetrica

      Stellungnahme der Fachstelle kindsverlust.ch zur «Wassermethode»

      Initialer Autor: I. Kaufmann, A. Winkler, V. Uerlings
      Überarbeitet: L. Gabriel
      Autorisiert: L. Sultan-Beyer
      KSW Version: 1.0, 05/2023