Menopausale Hormontherapie (MHT)
Inhaltsverzeichnis- Stadien der Wechseljahre (STRAW)
- Indikationen
- Diagnostik
- Aufklärung und Risikobeurteilung
- Schemata, Präparate und Dosierung
- Nebenwirkungen, Risiken und Kontraindikationen
- Osteoporose
- Beginn, Überwachung und Absetzen einer HRT
- Literatur
Definitionen
- Menopause: Zeitpunkt der letzten Menstruation aufgrund ovarieller Insuffizienz, mit Sicherheit erst nach einjähriger Amenorrhoe zu bestimmen. Durchschnittsalter für mitteleuropäische Frauen ca. 52 Jahre.
- Späte reproduktive Phase (Stadium -3)
- -3b: Zykluslänge unverändert, FSH normal, AMH und AFC tief
- -3a: Zyklen verkürzt/verändert, frühzyklisches FSH erhöht, AMH und AFC tief
- Frühe menopausale Umstellungszeit (Stadium -2): Folgezyklen unterscheiden sich in ≤7 Tagen Dauer
- Späte menopausale Umstellungszeit (Stadium -1): Amenorrhoe ≥ 60 Tage, Anovulation/Follikelpersistenz, AMH nicht mehr messbar. FSH und Estradiol (E2) stark wechselnd. Dauer 1-3 Jahre, häufig vasomatorische Symptome
- Frühe Postmenopause (Stadium +1): Dauer ca. 5-8 Jahre
- +1a: Amenorrhoe 12 Monate
- +1b: noch rasche Wechsel in der Höhe von FSH und Estradiol (E2)
- +1c: stabilisierte hypogonadotrope Ovarialinsuffizienz
(FSH ↑↑↑, E2 ↓), meist ca. 2 Jahre nach Menopause erreicht
- Später Postmenopause (Stadium +2): zunehmend somatische Alterungsfolgen, v.a. urogenitale Symptome des Östrogenentzugs
- Nicht tolerable Einschränkungen der Lebensqualität durch
- vasomotorische Beschwerden (Hitzewallungen, Schweissausbrüche und Tachykardie/Palpitationen
- Durchschlafstörungen, meist kombiniert mit vasomotorischen Beschwerden
- Stimmungsschwankungen, depressive Verstimmung oder Angstzustände im Zusammenhang mit der Perimenopause
- Osteoporose oder Osteopenie, speziell im Zusammenhang mit anamnestischem Hypoöstrogenismus
- Vorzeitige oder frühzeitige Menopause
- Östrogenentzug-bedingte urogenitale Beschwerden (Dyspareunie, rezidivierende Infekte, Trockenheit): Lokaltherapie!
- Bei klassischem Verlauf (Alter, Beschwerdebild)
- Vaginale Sonographie
- Keine hormonelle Diagnostik notwendig
- Osteodensitometrie bei Risiko (niedriger BMI, St.n. hypogonadotroper Amenorrhoe/Essstörung, Nikotin, Familienanamnese usw.) erwägen
- Bei sekundärer Amenorrhoe <45 Jahren
- Vaginale Sonographie
- Standardhormonprofil
- Eventuell AMH bei Frauen < 40 Jahren
- Eventuell Osteodensitometrie
- Verdacht auf vorzeitige Menopause mit Oligomenorrhoe und typischen Beschwerden
- Vaginale Sonographie mit antralem Follikelcount (AFC)
- Standardhormonprofil, AMH
Aufklärung über Behandlungsmöglichkeiten von menopausalen Beschwerden
- hormonelle Behandlung (HRT)
- nicht-hormonelle Behandlung
- nicht-pharmakologische Interventionen
Aufklärung über Möglichkeit der Postmenopausenblutung in den ersten 3 Behandlungsmonaten
Schemata, Präparate und Dosierung
Prinzip: "Dosierung so niedrig wie möglich, so hoch und lang wie nötig"
- perimenopausal:
- zyklische Gabe des Gestagens 10-12 Tage in Transformationsdosis
- zyklusgerecht beginnen, allenfalls nach induzierter Abbruchblutung
- postmenopausal:
- kontinuerliche Gabe Östrogen/Gestagen
- Blutungsfreiheit beabsichtigt
- nach Hysterektomie:
- reine Östrogentherapie
- Ausnahme: Vorgeschichte mit Endometriose, nach Endometriumablation oder suprazervikaler Hysterektomie
- bei Urogenitalbeschwerden:
- vorzugsweise Lokaltherapie (vaginal), nur östrogen
- kombinieren mit lokaler Fettpflege
- kann mit systemischer Therapie kombiniert werden
- Verminderte Knochendichte/Osteoporose
- Zusätzlich ausreichend Vitamin D (800 IE/d) und Calcium (ins. 1000-1200mg/d)
- Peri-/Postmenopausal mit Beschwerden: MHT
- Postmenopausal beschwerdefrei: SERM
Präparate (aktuell in der Schweiz zugelassen)
Auswahlkriterien
- Stärke der notwendigen Östrogendosis
- Wirkprofil Gestagene
- Zusatznutzen über orale oder transdermale Verabreichung
ZYKLISCH (Sequenziell kombiniert)
Oral: Cyclacur®, Femoston® 1/10, Femoston® 2/10,
Novofem®, Trisequens®
Transdermal: Systen sequi®, Kombination aus Estradot® 50 + Estalis® 50/140 bzw. Estradot 50® + Estalis 50/250® (je 2 Wochen)
Transdermal+oral/vaginal: Oestrogel®+Utrogestan® (200-300mg), Oestrogel®+Duphaston® (10-20mg),
KONTINUIERLICH KOMBINIERT
Oral: Activelle®, Angeliq®, Femoston conti® 0.5/2.5, Femoston conti® 1/5, Inidvina1/2.5®, Indivina 1/5®, Inidvina 2/5®, Kliogest®
Oral: Zoely®, gelbe Pillen verwerfen (4), off-label-use
Oral: Tibolon: Livial®, Tibolon Mepha®/HC Spirig®/Sandoz®
Transdermal: Estalis® 50/140, Estalis® 50/250, Systen conti® 50/170
ÖSTROGEN MONOTHERAPIE
Oral: Estrofem N® 1/2mg, Femoston® mono, Ovestin®, Progynova mite®, Progynova®
Transdermal: Divigel® 1/2mg, Estradot® 25/37.5/50/75/100, Oestrogel®
Dosierung: Östrogen
Vaginale Therapie
Estradiol: Vagifem®, Vagirux®
Estriol: Blissel®, Gynoflo®r, Kadefemin®, Oestro-Gynaedron®, Ovestin®
DHEA: Intrarosa®
GESTAGEN EINZELSUBSTANZEN
Duphaston® (Dydrogesteron), Utrogestan® (Progesteron), LNG-IUD (Levosert®, Mirena®)
Primolut N® (Norethisteron) nicht zur MHT geeignet
Dienogest Spirig®, Dienogest Mepha®, Metrissa®, Visanette®, Visanne®, Zafrilla®: off-label-use ausser bei Endometriose in Anamnese
Dosierung: Gestagen
Sequentiell: 10-12 Tage 20mg Dydrogesteron, 200-300 mg Progesteron
Fix kombiniert: pro 1mg Estradiol bzw. Äquivalenzdosis 5mg Dydrogesteron, 100mg Progesteron
IUD: Mirena®/Levosert® ausreichend antagonisierend für 2mg Estradiol/d
Gestagen nach Präparat:
ggf. selektiv Partialwirkung ausschöpfen, z. B.:
- LDL-Hypercholesterinämie: vorteilhaft orale Einnahme,Dydrogesteron oder Progesteron, Medroxyprogesteronacetat möglich, kein orales Norethisteron
- Prädiabetes/Diabetes: orale Einnahme, kein Medroxyprogesteronacetat
- Libidoverlust: Norethisteron/acetat, Tibolon
- Haarausfall: Orale Einnahme, kein Norethisteron/acetat, kein LNG-IUD
- Einschlafstörung: Progesteron oral 300mg zur Nacht
Nebenwirkungen, Risiken und Kontraindikationen
Kontraindikationen
- sexualhormon-sensible maligne Tumoren (Verdacht, Anamnese)
- Lebertumore, schwere Lebererkrankungen oder Leberfunktionsstörungen v.a. bei oraler Gabe
- Aktuelle oder Status nach arteriellen und venösen thromboembolischen Ereignissen (exklusive oberflächliche Venenthrombose) sowie bekannte Risikofaktoren
- Schwere Hypertriglyceridämie
CAVE:
- Thromboembolie-Risiko erhöht, v.a. bei oraler Gabe
- Ischämische zerebrovaskuläre Insulte erhöht v.a. bei oraler Gabe
- Migräne mit Aura ist relative Kontraindikation
- Relevanter Nikotingebrauch ist relative Kontraindikation
- Cholezystolithiasis v.a. bei oraler Gabe
- Stressharninkontinenz: ev. Verschlechterung
- Demenz: Datenlage unklar, allenfalls bei schon symptomatischer Demenz Verschlechterung
- Uterus myomatosus: cave Wachstum
- Ovarialkarzinom: Datenlage unbefriedigend, wahrscheinlich leichter Risikoanstieg
- Endometriumkarzinom:
Risikosenkung durch kombinierte Therapie bei ausreichender Gestagengabe
Risikoerhöhung durch östrogenes Übergewicht bei vorhandenem Uterus
- Mammakarzinom:
Datenlage widersprüchlich
wahrscheinlich nach 3-5 Jahren Einnahme leichter Risikoanstieg bei Normgewichtigen
kein Risikoanstieg bei Adipositas
bei aktuellem, früheren oder vermutetem Status nach Mammakarzinom kontraindiziert
Behandlungsabbruch bei
Vd. auf Thrombose/Embolie (plötzlicher Visusverlust, neue oder neu starke Kopfschmerzen, Hörstörungen)
Relevantem Blutdruckanstieg
Ikterus, Abnahme Leberfunktion
Sexualhormon abhängigem malignen Tumor
Osteoporose
Beachte: Osteoporose bzw. Ostoeoporoseprophylaxe ist primär keine Indikation für den Beginn einer MHT ohne weiter Symptome! Aber:
- Die MHT kann Bestandteil einer Sequenztherapie bei Osteoporose sein.
- Eine MHT führt zu einer signifikanten Senkung des Risikos für osteoporose-assoziierte Frakturen.
- Postmenopausale Patientinnen ohne Symptome und Osteopenie/Osteoporose v.a. Wirbelsäule: SERM (Raloxifen)
Beginn, Überwachung und Absetzen einer HRT
Beginn
- Perimenopausal: immer zyklusgerecht beginnen, allenfalls Abbruchblutung induzieren
- Neubeginn MHT über 60 Jahre bzw. >10 Jahre postmenopausal nicht empfohlen
- Hinweis, dass nach dem Absetzen der HRT Beschwerden wieder auftreten können
- Wirksamkeit und Verträglichkeit : Verlaufskontrolle nach 3 Monaten, dann jährlich.
- Hinweis auf mögliche Blutungsstörungen in den ersten Monaten der Therapie
Verlauf
- Bei späteren Blutungsstörungen: Abklärung bzw. Ausschluss endometriale Dysplasie siehe auch: Postmenopausale Blutung
- Individuelle Therapieanpassungen in Dosis, Präparat oder Anwendung im Verlauf der menopausalen Transition
- bei Patientinnen über 60 Jahre möglichst Umstellung auf transdermale HRT
- Keine routinemäßige, aber eher grosszügige Vaginalsonographie zur Messung der Endometriumdicke
Absetzen
- sofortiges Absetzen oder allmähliches Ausschleichen möglich
- Langfristig ist das Wiederauftreten von Symptomen unabhängig davon, ob die Hormone langsam oder plötzlich abgesetzt werden
- Es gibt keine feste Zeitgrenze für eine MHT, bei bestehender Indikation, fehlenden Kontraindikationen/Risiken und guter Verträglichkeit kann diese langzeitig durchgeführt werden
Autor: K. Schiessl
KSW Version: 3.0, 08/2024