Ovarialkarzinom

Inhaltsverzeichnis

Zugrundeliegende Leitlinien

Das Ovarial-/ Tuben- und primäre Peritonealkarzinom stellt diagnostisch, therapeutisch und prognostisch eine Entität dar und wird daher im Nachfolgenden unter „Ovarialkarzinom“ zusammengefasst.

Die Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Ovarialkarzinoms richtet sich nach den aktuellen S3-Leitlinien.

S3-Leitline Ovarialkarzinom

Ovarian cancer: The recognition and initial management of ovarian cancer (NICE)

Newly Diagnosed and Relapsed Epithelial Ovarian Carcinoma (ESMO)
Non-Epithelial Ovarian Cancer (ESMO)

Ovarian Cancer (NCCN)

Dieser Artikel konkretisiert KSW-spezifische Verfahrensanweisungen.

Eintrittswege in das Gynäkologische Tumorzentrum

Die Verteilung der Zuständigkeiten ist wie folgt:

Malignom, gesichert oder V.a.

Allg. Gyn. Ambulatorium

Gynäkologische Tumor-sprechstunde

Nieder-gelassene ÄrztInnen

Gyn. stationär

prästationäre Vorstellung

 

x

 

 

Chefvorstellung/
Aufklärungs-gespräch

 

x

 

 

Abschluss-gespräch

 

x

 

x

Nachsorge

 

(x)

x

 

Diagnostik

Präoperativ / Sprechstunde bei Erstdiagnose

Anamnese

Familienanamnese / Genetik

  • Allen Ovarialkarzinom-Patientinnen: Zuweisung Sprechstunde familiärer Brust- und Eierstockkrebs anbieten
  • Fragebogen Genetik   GON

Untersuchung

  • Spiegeleinstellung
  • Rektovaginale Palpation
  • Transvaginaler Ultraschall
  • Ultraschall Abdomen (Aszitesmenge, Harnstau)
  • Brustkontrolle

Bildgebung

  • CT Thorax/ Abdomen/ Becken
  • Koloskopie falls primäre OP geplant
  • Kein routinemässiges PET CT

Labor

  • In der Anästhesiesprechstunde gemäss Verordnung
  • Falls Mangelernährung: Ernährungsberatung   GON
  • Erheben des NRS- und des Karnofsky Index   GON                             
    Cave: Codierung der Mangelernährung
  • Tumormarker: CA-125, CA19-9, HEG

Vorstellung/ Anmeldung präoperativ

  • Präoperative Vorstellung in der Anästhesie-Sprechstunde
    obligat bei geplantem Debulking
  • Tumorboard
  • OP-Reservation
  • Vorstellung GON
  • Stomaberatung, Anzeichnen von Stoma-Lokalisationen   GON
  • Ernährungsberatung   GON

Stationär

  • Multiviszeraler Eingriff
  • Möglichkeit der Darmresektion sowie Anus praeter Anlage
  • Konsil intra-op Viszeralchirurgie anmelden
  • Darmvorbereitung
  • Transfusion auf Ziel-Hb von mindestens 10 mg/dl
  • MATAO ESGO, operative report
    postoperativ durch OperateurIn

Nachsorge

Nachsorge bei gynäkologischen Tumoren

Empfehlungen gynäkologisch onkologische Nachsorge, AGO, [1]     

6 Wochen postoperativ findet ein Gespräch mit der GON statt, die Patientin wird hierfür durch die GON aufgeboten.

Rezidiv Diagnostik

Zusätzlich zur Untersuchung und Anamnese wie bei Erstdiagnose

  • Falls zugänglich zytologische / histologische Sicherung
  • Sonografie vaginal und abdominal
  • CT Thorax, Abdomen
  • PET-CT bei V.a. Oligometastasierung und Frage nach Operabilität

 

Pathologische Befundung gemäss Nomenklatur WHO, 2014

FIGO Stadium

Beschreibung

TNM Klassifikation

FIGO I

Tumor auf Ovarien oder Tuben begrenzt

T1 N0 M0

FIGO IA

Tumor auf ein Ovar oder eine Tube begrenzt, Kapsel intakt, Oberfläche nicht erreicht und negative Zytologie

T1a N0 M0

FIGO IB

Tumor auf beide Ovarien oder Tuben begrenzt, Kapsel intakt, Oberfläche nicht erreicht und negative Zytologie (bei HGSC eher als FIGO IIA zu klassifizieren)

T1b N0 M0

FIGO IC1-3

Tumor auf Ovar oder Tube begrenzt und:

C1: intraoperative Ruptur

C2: prä-OP Ruptur oder Oberflächenbefall

C3: positive Ascites/Spülzytologie

T1c N0 M0

FIGO II

Ovarial-, Tuben- oder Peritoneal-Ca befällt das kleine Becken

T2 N0 M0

FIGO IIA

Befall von Uterus, Tuben, Ovarien; beidseitiges HGSC* (früher FIGO IB); STIC und Ovarialbefall mit HGSC

T2a N0 M0

FIGO IIB

Befall im kleinen Becken jenseits des inneren Genitals (z.B. Sigma/Rektum,

Peritoneum; nicht LK oder Dünndarm)

T2b N0 M0

FIGO III

Ovarial-, Tuben- oder Peritoneal-Ca mit Befall der Abdominalhöhle jenseits des Beckens und/oder LK Metastasen

T3 N0 M0

T1/2 N1 M0

FIGO IIIA1

Tu begrenzt auf das Becken, aber pos. LK

IIIA1 (i) LK Metastasen ≤ 10mm

IIIA1 (ii) LK Metastasen > 10mm

T1/2 N1 M0

FIGO IIIA2

Mikroskopischer Tumor intraabdomina

jenseits des Beckens +/- LK Metastasen

T3a2 N0/1 M0

FIGO IIIB

Makroskopischer Tumor intraabdominal

jenseits des Beckens ≤ 2cm Größe, mit/ohne LK Metastasen

T3b N0/1 M0

FIGO IIIC

Makroskopischer Tumor intraabdominall jenseits des Beckens > 2cm +/- pos. LK

T3c N0/1 M0

FIGO IV

Fernmetastasen jenseits des Peritoneums oder der abdominalen LK

T1-3 N0/1 M1

FIGO IVA

Zytologisch positiver Pleuraerguss

FIGO IVB

Parenchymmetastasen (inkl. Mucosabefall des Darms) / extraabdominale Metastasen (inkl. Leisten / präkordiale LK), extraperitoneale

Bauchdecken- / Nabel-Metastase

*HGSC = high grade seröses Karzinom
Aus [3].
Eine BRCA Testung des Gewebes sollte durchgeführt werden, da es eine therapeutische Konsequenz hat.

Tumorboard

Es gelten die Richtlinien zum Tumorboard des Tumorzentrums des Kantonsspital Winterthurs.

Vorgestellt werden

  • Alle Patientinnen nach histologischer Sicherung und vor der ersten Therapie
  • Alle Patientinnen nach Ersttherapie
  • Patientinnen bei Verdacht auf Auftreten eines Rezidivs
  • Alle neu metastasierten Patientinnen

Die Möglichkeit einer Studienteilnahme wird grundsätzlich diskutiert.

Der Eintrag ins Tumorregister erfolgt nach Aufklärung der Patientin (Broschüre Tumorregister).

Therapie

Indikationsspezifisch gemäss der S3-Leitlinie [2] und der Therapiestandards der Kliniken Essen-Mitte [3].

Klassifikation

Primärtherapie/ Operation

(Vermeintlich) frühes Ovarialkarzinom und/oder STIC

  • Längsschnittlaparotomie ist Standard
  • HE und Adnexestirpation bds. Wenn kein Kinderwunsch mehr besteht
  • Peritoneales Staging mit multiplen PE aus Ober-, Mittel- und Unterbauch, Omentektomie und (Spül-) Zytologie
  • Systematische pelvine und paraaortale Lymphonodektomie (nicht bei FIGO Iow grade muzinösen oder low grade endometrioiden Karzinom oder alleinigem STIC)

Re-staging nach Zufallsbefund Ovarialkarzinom

  • Terminierung sofort, bei Z.n. alleiniger Adnexexstirpation; bei grösseren Voreingriffen ggf. 6 Wochen abwarten
  • Eine Lymphonodektomie als Re-staging ist nur dann indiziert, wenn deren Ergebnis Einfluss auf die Wahl der adjuvanten Therapie hat
  • Laparoskopie ist akzeptabelbei guter Übersicht (unabhängig vom Zugangsweg muss eine Tumorkapselruption auf jeden Fall vermieden werden)

Bedingungen für eine fertilitätserhaltende OP

  • Potentieller Kinderwunsch und gesicherte Nachsorge UND
  • Stadium FIGO I A/C nach adäquatem/unvollständigem Staging UND low risk Pathologie (Grading/ Histotyp)
    ODER LMP-Tumoren (= Borderline Tumoren)
    ODER Keimzell-, Keimstrangstromatumoren (Einzelfallentscheidung)

Fortgeschrittenes Ovarialkarzinom

 

Nach Eröffnung des Peritoneums:

  • Exploration des Situs inkl. Tumor-Metrik
  • Entscheidung über Länge LS/ Schnittführung
  • Aszites (Volumen – Zytologie) oder Spülzytologie
  • Histologie (Sicherung der Diagnose, ggf. Biobank)
  • Abschätzung ob Tumorrest 0 (bzw. < 1cm) erreichbar:
    Wenn Einschätzung negativ, Zweit-Einschätzung intraoperativ durch zweite(n) erfahrene(n) OperateurIn und ggf. ViszeralchirurgIn und Festlegung der weiteren Therapieziele

 Borderline-Tumore

Die Therapie von Borderline-Tumoren ist primär operativ. Fester Bestandteil der Operation sind die sorgfältige Inspektion des gesamten Abdomens und Beckens, eine Spülzytologie, die Adnektomie (bds. nach abgeschlossener Familienplanung), Omentektomie, Probeentnahmen von Harnblasen-, Douglas- und Kolonrinnen-Peritoneum sowie die Resektion aller auffälligen Läsionen (1). Eine Hysterektomie ist bei unauffälligem Uterus nicht notwendig. Bei muzinösen Borderline-Tumoren sollte eine Appendektomie durchgeführt werden. Bei Wunsch nach fertilitätserhaltendem Vorgehen muss die Patientin über die erhöhte Rezidivrate bei Erhalt des unauffälligen Adnexes aufgeklärt werden. Ziel ist die R0-Resektion.

Eine adjuvante Therapie sollte nicht erfolgen.

Literatur

  1.  Empfehlungen gynäkologisch onkologische Nachsorge, AGO (Arbeitsgemeinschaft für gynäkologische Onkologie und Brustgesundheit der SGGG), 2009.
  2. Leitlinienprogramm Onkologie (Deutsche Krebsgesellschaft, Deutsche Krebshilfe, AWMF): S3-Leitlinie Diagnostik, Therapie und Nachsorge maligner Ovarialtumoren, Langversion 4.0,2020, AWMF-Registernummer: 032/035OL, https://www.leitlinienprogramm-onkologie.de/leitlinien/ovarialkarzinom/
  3. Du Bois A, Kümmel S. Therapiestandards der Kliniken für Gynäkologie & Gynäkologische Onkologie. Kliniken Essen-Mitte (KEM), Essen, Deutschland.2020.

Harter P, Sehouli J, Lorusso D, Reuss A, Vergote I, Marth C, et al. A Randomized Trial of Lymphadenectomy in Patients with Advanced Ovarian Neoplasms. N Engl J Med. 2019;380(9):822-32.

Nelson G, Bakkum-Gamez J, Kalogera E, Glaser G, Altman A, Meyer LA, et al. Guidelines for perioperative care in gynecologic/oncology: Enhanced Recovery After Surgery (ERAS) Society recommendations-2019 update. Int J Gynecol Cancer. 2019;29(4):651-68.

Moore, K., et al., Maintenance Olaparib in Patients with Newly Diagnosed Advanced Ovarian Cancer.N Engl J Med, 2018. 379(26): p. 2495-2505.

Du Bois A, Vergote I, Ferron G, Reuss A, Meier W, Greggi S, et al. Randomized controlled phase III study evaluating the impact of secondary cytoreductive surgery in recurrent ovarian cancer: AGO DESKTOP III/ENGOT ov20. Journal of Clinical Oncology. 2017;35(15_suppl):5501-.

Autor: S. Meili
KSW Version: 2.0, 04/2023