Stillempfehlungen
Inhaltsverzeichnis- Absolute Kontraindikationen
- Stillen mit Einschränkung oder vorgängiger Therapie
- Stillen ohne Einschränkung
- Erkrankungen, die oft mit zu wenig Muttermilch gekoppelt sind
- Schlussbemerkung
- Literatur
Einfluss von maternalen Erkrankungen, Untersuchungen, Therapien und Drogenkonsum bei gesunden, termingeborenen Neugeborenen
Absolute Kontraindikationen
Erkrankungen |
Bemerkungen |
Ref. |
HIV-Infektionen |
HIV-infizierten Müttern in Industrieländern wird generell geraten, ihren Säugling nicht zu stillen. (UNICEF / WHO / UNAIDS Empfehlung) |
2 |
HTLV-1 (Humanes T-Zell-Leukämie-Virus |
Kommt in Afrika, Teilen Japans sowie auf den Karibischen Inseln vor. Verursacht u. a. Leukämie und Lymphome. Wird durch Muttermilch übertragen |
2 |
Drogen |
Bemerkungen |
Ref. |
Heroinkonsum |
Opiate können über die Muttermilch zum gestillten Säugling gelangen. Besonders die intravenöse Applikation von Heroin kann den Säugling durch die sedierende und atemdepressive Wirkung gefährden |
1 |
Kokainkonsum |
Kokain geht in die Muttermilch über und ist bei gestillten Säuglingen bis zu 60 Stunden im Urin nachweisbar. Deshalb sollte bei wiederholtem Kokainkonsum abgestellt werden. |
1 |
Cannabiskonsum |
Bei regelmässigem Konsum wird eine 8-fach höhere Konzentration an Tetrahydrocannabinol in der Muttermilch als im mütterlichen Serum erreicht. Cannabiskonsum muss in der Stillzeit unterbleiben. Bei regelmässigem Konsum sollte abgestillt werden. |
1 |
Alkoholkonsum |
Alkoholismus ist ein Grund abzustillen. Gelegentlicher geringer Alkoholkonsum (z.B. 1-2 mal wöchentlich ein Glas Sekt) ist kein Stillhindernis. Die Stillende sollte jedoch möglichst wenig Alkohol zu sich nehmen. |
1 |
Therapien |
Bemerkungen |
Ref. |
Strahlentherapie |
Es liegen noch keine aussagekräftigen Daten vor, weshalb momentan die Strahlentherapie als Kontraindikation gilt.
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Stillen mit Einschränkung oder vorgängiger Therapie
Erkrankungen |
Bemerkungen |
Ref |
Hepatitis A |
Stillen ist zu empfehlen. Eine passive Immunprophylaxe des Kindes wird in Erwägung gezogen, falls die mütterliche Erkrankung 3 Wochen vor bis 3 Wochen nach der Geburt aufgetreten ist. |
2 |
Hepatitis B |
Stillen ist zu empfehlen. Neugeborene sollen unmittelbar nach der Geburt bis spätestens 12 Stunden postpartal aktiv und passiv geimpft werden. |
2 |
Hepatitis C |
Nach den Ergebnissen umfangreicher Studien des Europäischen Pädiatrischen HCV-Netzwerkes (EPHN) und des deutschen Hep-Net Teilprojektes "Vertikale Übertragungen der Hepatitis C" scheint es keinen Grund zu geben, einer chronisch HCV-infizierten Mutter vom Stillen abzuraten. Bei einer akuten HCV-Infektion muss das Risiko sorgfältig abgewogen und mit der betroffenen Frau besprochen werden, damit die Viruskonzentrationen bei fehlenden Antikörpern sehr hoch sind. Auf eine gute Stillkontrolle ist zu achten, damit wunde und blutende Brustwarzen vermieden werden können. |
3 |
Herpes simplex Infektionen |
Sofern keine Bläschen an der Brust auftreten, kann gestillt werden. Bei Mamillen-naher Lokalisation wird bis zur Abheilung die betroffene Seite abgepumpt und die Milch verworfen. Gleichzeitig wird Low Level Lasertherapie angewendet. Geachtet werden muss auf eine sorgfältige Hygiene: Der Säugling darf keinen Kontakt zu den Bläschen haben. Herpes Simplex kann in den ersten Lebensmonaten zu schwerer Sepsis führen. |
2 |
Windpocken / Varizella 5 Tage vor und 2 Tage nach der Geburt |
Stillen ist zu empfehlen, bzw. abgepumpte Muttermilch bei Mammillen-nahen Varizellen, Läsionen oder einer räumlichen Trennung des Kindes von der Mutter. Für das Kind ist die Gabe von Immunglobulinen und eine prophylaktische Aciclovirtherapie in Erwägung zu ziehen. Bei späteren Erkrankungen entfallen diese Massnahmen. |
2 |
Masern |
Gabe von Immunglobulinen an das Neugeborene müssen erwogen werden. 72 Stunden nach Ausbruch des Exanthems bei der Mutter und nach dem Verabreichen von Immunglobulinen an das Neugeborene kann Muttermilch verabreicht werden. Meistens werden die Mutter und das Neugeborene getrennt. |
4 |
Tuberkulose |
Stillen, bzw. Verabreichen von Muttermilch ist immer möglich. Bei offener TBC müssen Mutter und Baby räumlich getrennt werden. Zwischenzeitlich kann das Kind mit abgepumpter Muttermilch ernährt werden. Der Mutter verabreichte Tuberkulostatika stellen keine Kontraindikation dar. |
2 |
Epilepsie |
Bei Monotherapie darf in den meisten Fällen gestillt werden. Bei mehr als einem Antikonvulsivum und Verabreichung von Barbituraten ist im Einzelfall zu entscheiden. |
1 |
Drogen Untersuchungen Therapie |
Bemerkungen |
Ref |
Methadon |
Die amerikanische Academy of Pediatrics erlaubt Stillen bis zu einer täglichen Dosis von 20 mg. Neuere Fallstudien belegen, dass selbst höhe mütterliche Tagesdosen bis zu 130 mg gut vertragen werden. |
1 |
Narkose |
Stillpause bis die Mutter wieder wach ist und selbständig anlegen kann. |
1 |
Jodhaltige Kontrastmittel und Glandolinium |
Jodhaltige Kontrastmittel und Gadolinium erfordern keine Stillpause (z.B. Webb JAW et al. Eur Radiol 2005:15:1234). Bei uns im Hause wird das jodhaltige Kontrastmittel Ultravist (Iopromid) verwendet. Auch andere jodhaltige Kontrastmittel sind mit dem Stillen vereinbar (insbesondere Iodixanol, Iohexol, Iopamidol, Iotrolan, Ioxitalamsäure). Bariumsulfat-haltige Suspensionen werden zur Kontrastierung des Gastrointestinaltraktes als Trinksuspension gegeben; diese werden nicht resorbiert und sind daher auch keine Kontraindikation für Stillen (Webb J.A.W, et al. The use of iodinated and gadolinium contrast media during pregnancy and lactation. Eur Radiol (2005) 15: 1234-1240). |
1 |
Chemotherapie |
Die Chemotherapie galt bis anhin als kontraindiziert. In der neusten Literatur wird jedoch erwähnt, dass das Stillen generell weitergeführt werden kann, wenn Zytostatika in mehrwöchigen Intervallen mit entsprechenden Stillpausen gegeben werden. Alle Zytostatika werden in sehr geringen Konzentrationen in die Muttermilch sezerniert. Das Procedere muss individuell je nach Situation entschieden werden. |
1 2 |
Radioaktive Substanzen |
Eine ein- bis mehrtägige Stillpause muss eingehalten und die Milch verworfen oder abgestillt werden, je nachdem welche radioaktive Substanz in welcher Dosis eingesetzt wurde. Eine Tabelle mit empfohlener Dauer der Stillpause ist im "Handbuch für die Stillberatung" enthalten. Die Entscheidungen müssen individuell getroffen werden, ggf. nach einer Kontrolle der Restaktivität in der Muttermilch. Im Gegensatz zu anderen Medikamenten werden radioaktive Substanzen durch häufiges Pumpen rascher aus dem Körper ausgeschieden. Deshalb sollte mindestens so oft abgepumpt werden, wie das Neugeborene getrunken hätte. |
1 5 |
Immunsuppressive Therapie |
Bis anhin gehörte die Therapie mit Immunsuppressiva zu den absoluten Kontraindikationen. In der neusten Literatur ist aufgeführt, dass Azathioprin, Ciclosporin A und Interferone kein Stillhindernis darstellen. Bei anderen Immunsuppressiva erscheint zunächst Zurückhaltung geboten.
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1 |
Stillen ohne Einschränkung
Erkrankungen |
Bemerkungen |
Ref |
Bakterielle Infektionen |
Werden Medikamente eingesetzt, die sich auch für die Behandlung von Säuglingen eignen, ist in der Regel eine Fortsetzung des Stillens ohne Unterbrechung möglich (Medikamentenwahl siehe "Schäfer und Spielmann: Arzneiverordnung in der Schwangerschaft und Stillzeit"). Der Allgemeinzustand der Betroffenen ist zu berücksichtigen. |
2 |
Zytomegalie |
Bei reifen Neugeborenen kann gestillt werden. |
4 |
Toxoplasmose |
Stillen ja, denn die Mutter hat Antikörper und der Erreger wurde nicht in Muttermilch nachgewiesen. |
4 |
Trichomonaden |
Stillen ja. Das Medikament der ersten Wahl ist Metronidazol. Wenn möglich sollte die Applikation abends nach der letzten Stillmahlzeit erfolgen, um durch die nächtliche Stillpause die Exposition weiter zu verringern. |
1 4 |
Röteln |
Stillen ist zu empfehlen. |
2 |
Mumps |
Stillen ist zu empfehlen. |
2 |
Lyme Borreliose |
Stillen ja, jedoch gleichzeitig Beginn der medikamentösen Behandlung. |
4 |
Diabetes mellitus |
Die Mütter benötigen ca. 27% weniger Insulin. An Diabetes erkrankte Mütter haben ein grösseres Risiko einer Mastitis bekommen. Eine gute Information, Instruktion und Betreuung ist sehr wichtig. |
2 |
Hyperthyreose |
Bei thyreostatischer Therapie kann der Säugling im Allgemeinen gestillt werden, wobei die gewählte Therapie zu beachten ist. Liegt die Dosis im oberen therapeutischen Bereich, sollen nach 3 Wochen die Schilddrüsenparameter des Säuglings kontrolliert werden. |
4 |
Multiple Sklerose |
Zum Stillen ermutigen, das Stillen hat auf den Verlauf der Krankheit keinen Einfluss. |
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Asthma bronchiale |
Stillen ist zu empfehlen, besonders auch als Allergieprophylaxe für das Kind. |
2 |
Drogen Untersuchungen Impfungen |
Bemerkungen |
Ref |
Nikotin |
Neuste Studien zeigen, dass auch bei einer hohen Zigarettenanzahl pro Tag der protektive Effekt der MM grösser ist als der schädigende Einfluss. Die Erfahrung zeigt, dass starke Raucherinnen meistens infolge der negativen Auswirkung auf die Milchbildung nicht voll stillen können und rasch abstillen. Absolutes Rauchverbot sollte in den Räumen herrschen, in denen sich der Säugling aufhält. |
2 7 |
Röntgenuntersuchungen Ultraschall, Mammographie, Magnetresonanztomographie, Computertomographie |
Diese Untersuchungen benötigen in der Regel keine Stillpausen, unabhängig welche Organe untersucht werden. Verwendete Kontrastmittel beachten. |
1 |
Impfungen |
Stillende Frauen dürfen sowohl mit Tot- als auch Lebendimpfstoffen geimpft werden. Lediglich mit der ohnehin nicht mehr empfohlenen Polio-Lebendimpfung (Schluckimpfung) ist zuzuwarten, bis der Säugling gemäss dem Impfplan seine Totimpfung erhält. (Empfehlung von ACIP 1994) |
1 |
Erkrankungen, die oft mit zu wenig Muttermilch gekoppelt sind
Erkrankungen |
Bemerkungen |
Ref |
Sheehan-Syndrom (Versagen der Gonadotropin-produzierenden Hypophyse durch Hypotonie und Blutungen während der Geburt) |
Stillen ist wegen dem Hormonmangel und der folgenden Brustdrüsenatrophie kaum möglich. Bei milderen Fällen kann es zu einem verspäteten Milcheinschuss kommen. 4) |
4 |
Plazentaretention Zurückgebliebene Plazentareste |
Hormonell bedingt |
4 |
Anämie |
Die Erfahrung zeigt, dass der Milcheinschuss oft verspätet eintritt. |
6 |
Hypothyreose |
Mit Hormonsubstitution kann voll gestillt werden. |
6 |
Systemischer Lupus Erythematodes |
Zum Stillen ermutigen, kann der Betroffenen helfen mit der Ermüdung besser umzugehen. |
6 |
Zustand nach Bestrahlung der Brust |
Stillen ist einseitig oder evtl. beidseitig möglich. |
2 |
Status nach Brustreduktion |
Die Milchbildung ist abhängig von der Schnittführung und der noch vorhandenen Menge des Brustgewebes. |
2 |
Schlussbemerkung
Die Empfehlungen zur Verabreichung von Medikamenten sind bewusst nicht erwähnt worden
- weil auf Mutter-und Kind-Abteilung eine überarbeitete Liste mit den gebräuchlichsten Medikamenten aufliegt und
- die unten aufgeführte Literatur 1) fundiert Auskunft gibt und auch informiert über das Mittel der ersten Wahl.
Literatur
Webb J.A.W, et al. The use of iodinated and gadolinium contrast media during pregnancy and lactation. Eur Radiol (2005) 15: 1234-1240
Autor: Franziska Wicki
Autorisiert: M. Hodel
Version: 04.01.2016
Gültig bis: 30.06.2021